1770 – 1850 Großbritannien
In Übersetzungen von
Marie Luise Gothein
Ward dieser Held von
Sterblichen geboren,
Der kühn mit den Tirolern
vorgedrungen?
Hat sich Tells Geist vom Tode
losgerungen,
Neu zu beleben, was die Welt
verloren?
Er tritt wie Phöbus aus des
Morgens Toren,
Wenn er die trübe Finsternis
bezwungen.
Als Schmuck hat, von
Bescheidenheit durchdrungen,
Nur eines Reihers Feder er
erkoren!
O Freiheit, deinem Ansturm
weicht die Rotte,
Sie wenden vorn und hinten sich
zur Flucht,
Das halbe Heer begräbt der
Felsen Wucht;
denn diesem Krieger beugt,
gleich einem Gotte,
Sich Strom und Fels und Berg in
seine Zucht,
Dem grausamen Tyrann zum Hohn
und Spotte.
Tritt vor, o Freiheit aus
Tirolerland,
Du Bergeskind, das keine Furcht
bewegt,
Der Name ward mit Recht dir
beigelegt!
Du bist an Alpenhöhn, die
Felsenwand,
An ew’gen Schnee, dem Echo
gleich, gebannt,
wenn früh der Jäger es vom
Schlaf erregt.
Wohin sein unsichtbarer Schritt
es trägt,
Zu Klippen, Höhen und zum
Waldesrand,
Da plaudert es von der
Vergangenheit!
Auf hehre Macht, beschleun’ge
deinen Fuß,
Es dringe zu den Wolken auf
dein Gruß,
Zum grünen Tal, des Hirten
Einsamkeit;
Die Alpen selber jauchzen
deinem Bunde,
Hier, dort und überall zur
gleichen Stunde.
Was ward mit all der langen Müh’
erreicht,
Wo man nach Grund und Gut und
Übel spürt,
Den Willen mit abstruser
Willkür führt,
Bis sich die transzendente Ruh’
ihm zeigt,
Wo jede Leidenschaft sich
willig beugt,
Vor der Vernunft, weil ihr der
Thron gebührt.
Nichts als ein Spiel ist’s,
eitel und geziert,
Wenn jetzt das weise
Deutschland feige weicht
Brutalen Waffen! O erröten
müssen
Die hohen Schulen! Können wir
doch sagen,
Daß wenig Hirten aus dem
Alpenland
Mit wenig klaren Regeln besser
wissen,
Das, was der Menschheit frommt
in Unglückstagen,
Als aller Stolz und grübelnder
Verstand.
Das Land, das uns vererbt von
Ahngeschlecht,
Das geben wir den Kindern einst
aufs neue,
Das ist uns Pflicht, ist unsre
fromme Weihe,
Natur und Gott, sie nennen es
gerecht.
Wer nicht mit Waffen dafür
kämpft, heißt Knecht.
Des Kindes Auge fordert unsre
Treue,
des Weibes Lächeln und des
Äthers Bläue,
Und selbst ihr Väter aus den
Gräbern sprecht:
O singt noch einmal jene alten
Lieder,
Die immer köstliche Musik uns
waren,
Der Wind bring uns der Herden
Läuten wieder!
Wir ziehen fort, die opferwill’gen
Scharen,
Der Freiheit soll der Speer die
Gasse brechen,
Die Tugend ehren und die
Menschheit rächen.
Nach sittlich hohem Gut habt
ihr gestrebt;
Wer brächte sonst, da mächt’ge
Throne wanken
Zu armen Hirten einzig den
Gedanken,
Der sie zu solchem hohen Ziel
belebt?
Nicht war’s umsonst, was euch
so hoch erhebt;
Denn eurem stolzen Ruhm ist es
zu danken,
Daß eine Macht uns antreibt,
ohne Schwanken
Das Recht zu fordern, welche
nie erbebt!
Schlaft, Krieger schlaft! ruht
aus am Bergeshange,
Ihr konntet in der Klugheit
strengem Zwange
Die unbesiegte Seele nicht
verlieren! –
Bricht überdrüssig einst an
Schuld und Leid
Europa los – dann Hirten seid
bereit,
Ganz über euren Feind zu
triumphieren.
Was ist Ehre? Die
Gerechtigkeit,
Wie wir im schönsten Sinne sie
uns denken,
Bestimmt, der Tücke Schlag von
uns zu lenken,
Wehrt sie dem Unrecht, das wir
tun, dem Leid,
Das uns bedroht. – Wenn wilde
Grausamkeit
Versucht, ein Reich in seinem
Recht zu kränken,
Das Kriegsglück flieht, sich
tapfre Waffen senken,
Dann ist die Ehre Hoffnung, und
sie beut
Ruhm und Triumph! Wohl zwingt
der Schlauen List
Die Völker, vor ungerechtem
Spruch zu neigen
das stolze Haupt, - doch nimmer
bis zum Staube,
Was doch das höchste Ziel des
Feindes ist.
Zwar säumt die Zagheit oft, zum
Glück zu steigen,
Doch nur die Schande fällt dem
Tod zum Raube.
1811
Halt an! Der Dichter fordert
seinen Dank,
denn stets war Freiheit seines
Liedes Streben,
Nie saht ihr vor der Hoffnung
ihn erbeben,
Als schwer das Unglück auf uns
niedersank;
Der Hoffnung, die als Pflicht,
als hohen Zwang,
Der Himmel unserm kranken Herz
gegeben;
O! möchten wir der Weisheit
immer leben,
Daß jeder frevelt, der
geblendet, bang
Auf des Tyrannen Glanz und
Siege schaut,
Und dem vor seiner Schuld, der
ja als Lohn
Nur Blut und Tränen fließen –
es nicht graut;
Ihm ist Gerechtigkeit nur
leerer Hohn!
Tu deine Schwachheit ab, auf
sie nur baut
Die Tyrannei, Armseliger, ihren
Thron!